Der Boss wird 60 - Happy Birthday Mr. Springsteen

Begonnen von Flames1848, 23. September 2009, 17:50:48

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Flames1848

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Einer der ganz gross feiert heute 60. Geburtstag: Bruce Springsteen

ZitatBruce Springsteen ist nicht einfach ein Rock-Musiker – sondern ein Dichter. Niemand schreibt so schöne Songs über das Amerika der Verlierer wie der "Boss" aus New Jersey. Seine Texte stehen in der Tradition von Autoren wie John Steinbeck. Heute wird er 60 Jahre alt.

Der 60. Geburtstag ist keine schlechte Gelegenheit, den Dichter Bruce Springsteen dem Musiker gleichen Namens vorzuziehen. Die Breitbeinigkeit, mit der er Gitarre spielt, und die rostige Röhre, durch die er seine Worte presst, lassen ja allzu oft das feinsinnige Genie des Texters in den Hintergrund treten. Dabei gehören seine Verse und Geschichten, Szenen und Monologe in Leinen gebunden neben die Bücher von Sherwood Anderson und Cormac McCarthy ins Regal.

Sie variieren den einen wunderbaren Satz, den Springsteen Ende der 70er Jahre notierte: "Ist ein Traum eine Lüge, nur weil er nicht in Erfüllung geht?" Er singt das am Ende seines Songs "The River", und es steht über allem, was dieser Stürmer und Enthusiast, dieser ungestüme Liebhaber und Romantiker des Highway schreibt. Da will sich einer nicht abfinden, und sein Hadern, das ist die Magie, die zwischen den Zeilen leuchtet.

Am Anfang inszenierte er sich als harter Hund, Autos und Mädchen und so. Er war wie Sylvester Stallones "Rocky" und Al Pacino im Film "Hundstage": blass, abseits stehend, aber ein Kerl mit Rückgrat. Er meinte alles ernst. Er fror, aber es brannte die Überzeugung in ihm, dass es einmal besser wird. Springsteen kommt aus New Jersey, das war seine geistige Lebensform – auf sie bezieht er sich heute noch, obwohl er als Multi-Millionär das einfache Leben längst aufgegeben hat. Er las John Steinbeck, schaute die Western von John Ford, aber das hat ihn nicht zum Intellektuellen gemacht, sondern bloß seinen Blick auf den Alltag geschärft. Seine stärksten Texte handeln von Typen, die "unten an der Straße" leben, in der Vorstadt, im Staub, der sich auf ihre schweren Stiefel legt. Springsteen ist am besten, wenn er patriotisch ist, ohne es auszusprechen. Die klassischen Themen der amerikanischen Literatur findet man in seiner Lyrik, das Motiv der Grenze, der großen Fahrt, des Flusses und das Pathos des Verlusts. Einer hat mal versucht, eine Traditionslinie zwischen Walt Whitman, Steinbeck, Bob Dylan und Springsteen zu zeichnen, und das klang sehr interessant.

Am nächsten kommt er jedoch den Gedichten "Die Toten von Spoon River" (1915) von Edgar Lee Masters. Der Autor versammelt darin 214 Epitaphe, in denen sich die Toten eines amerikanischen Dorfes zumeist in der ersten Person selbst vorstellen. Springsteen verfährt ähnlich. Sein lyrisches Ich spricht zu Beichtvätern und Richtern; eigentlich fällt es nie aus der Rolle des Sohnes, eines Kindes, das eine große Sehnsucht spürt. "Jeder hat einen Grund, noch einmal von vorn zu beginnen", heißt es in "Long Walk Home". Auch die Frauen am Straßenrand spricht er direkt an, er traut sich was, aber es ist ein verzweifeltes Wagenwollen: "Dir könnte Schlimmeres passieren, als mich zu nehmen." In seiner mittleren Phase, von Mitte der 70er bis tief in die 80er Jahre, veröffentlichte er seine gewaltigsten Platten: das mitreißende "Born to Run", das düstere "Nebraska", das verhaltene "Tunnel of Love" und, natürlich, "Born in the USA" – 14 Millionen Mal verkaufte sich allein dieses Album mit dem Anti-Vietnamkrieg-Titelsong, der allerorten als Hurra-Patriotismus missverstanden wurde.

Während sich Springsteen in der Frühzeit musikalisch vor allem bei Rock 'n' Roll, Blues und Country bediente, goss er nach und nach immer mehr klingenden Kitsch auf seine Texte. Ganz schlimm war die Zeit mit dem Geigen-Gefiedel, als er Dylan in dessen "Desire"-Phase nahekommen wollte. Das passte einfach nicht. Und auch auf der eigentlich wieder sehr guten aktuellen Platte "Working on a Dream", der 24. übrigens, liegen schwere Streicher-Arrangements, die sich dem Massengeschmack andienen, aber der Kunst Springsteens nicht gerecht werden, ihrer Einfachheit.

Aber das gehört zum Erfolgsgeheimnis dieses Mannes, der "Boss" genannt wird, weil er seinen Musikern früher die Gage persönlich auszahlte: dass man ihn wahlweise tränenreich umarmen oder kumpelhaft in den Bauch boxen möchte und dabei Sachen wie "Verdammt, Mann" murmeln will – vielleicht, weil man denkt, dass Freunde in Amerika das untereinander so machen. Die Fehler gehören dazu, das Übers-Ziel-Hinaus. Und er schreibt ja weiterhin so rührende Szenen wie die Liebesgeschichte zwischen dem Supermarkt-Kunden und der Kassiererin: "Obwohl die Mütze ihrer Firma ihr Haar bedeckt, kann doch nichts die Schönheit verbergen, die dort wartet." Am Ende lässt ein Lächeln der Angebeteten den unwirtlichen Ort explodieren. Erlösung durch Liebe. Ein amerikanischer Traum.

Bruce Springsteen wird heute 60. Im Song "Brilliant Disguise" singt er: "Möge Gott Gnade haben mit dem Mann, der anzweifelt, was ihm sicher ist."



Quelle RP Online
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